Mittwoch, 22. Oktober 2008

Faschismus: Das fliegende Klassenzimmer

Eine kanadische Sicherheitsfirma will jetzt ein Armband entwickeln, mit dem Flugpassagiere geortet und ggf. per Fernbedienung außer Gefecht gesetzt werden sollen. Für Hunde gibt es Ähnliches schon lange.

Ein Flugzeug ist eine Welt für sich. Wenn es anscheinend völlig losgelöst mit fast tausend Stundenkilometern durch die eisige Atmosphäre schießt, erscheint es beinahe wie ein eigener Himmelskörper oder wie eine schwebende Seifenblase, die durch einen Nadelstich zerplatzen kann. Im Flugzeug scheinen deshalb unsere Ängste und Probleme verdichtet zu werden, bei manchen so stark, dass sie sich gegen die geheimnisvolle Flugangst behandeln lassen müssen.

Die Angst, die kleine Seifenblase mit unserem zerbrechlichen Leben an Bord könnte wirklich zerplatzen, ist der ideale Hintergrund für immer neue Zumutungen und Experimente mit unseren Freiheitsrechten und der Menschenwürde. Flughafen und Flugzeuge erscheinen wie kleine Abbilder unseres Planeten. Hier wie da versucht man uns Angst zu machen, der »kleine, verletzliche Planet« könnte plötzlich untergehen. Beim Flugzeug durch perfide Terroristen, bei der Erde außerdem durch Klimakatastrophen, Artensterben und andere Desaster, vor denen uns der Staat dringend schützen muss. Und genau deshalb steigen hier wie da Überwachung, Bespitzelung und natürlich Gebühren und Steuern.

Die verdichtete Welt des Flugzeugs ist das ideale Versuchslabor für immer neue faschistische Experimente mit Menschenwürde und Freiheitsrechten. Schulkindern gleich, sitzen dort Erwachsene in Reihen, aber nur, wenn sie die Aufnahmeprüfung bei den Sicherheitskontrollen bestanden haben. Der Flughafen und das Flugzeug sind die ideale Schule des Faschismus, denn schließlich herrscht hier aus vielerlei Zwängen heraus auch Schulpflicht. Wer seine Geschäfte abwickeln will, kommt um den Besuch in dieser Schule meistens nicht herum.

Jackett ausziehen, sich betasten und das Gepäck durchsuchen zu lassen waren nur die ersten Stufen, dann folgten Schuhe und Gürtel Ausziehen sowie die Kontrolle von kosmetischen und medizinischen Flüssigkeiten. Als nächster Schritt sind Scanner geplant, die dem Flughafenpersonal die Passagiere nackt zeigen sollen, etwas, was man sonst nur sehr nahestehenden Leuten oder dem Arzt gestattet. Womit man endgültig beim Intimbereich des Menschen angelangt wäre.

Der Flugpassagier hat nicht nur Angst, sondern ist außerdem erpressbar. Lässt er sich die zunehmenden Frechheiten nicht gefallen, drohen ihm unangenehme Konsequenzen: Schikanen bis hin zum verpassten Flug. Die Alternative wäre schließlich auch »die F-16 an der Tragflächenspitze«, meinte eine US-Sicherheitsfirma. Muss man denn wirklich noch deutlicher werden? Die Bemühungen um die Genehmigung, Flugzeuge abschießen zu dürfen, waren vielleicht nur der Versuch, ein neues Druckmittel gegen Passagiere in die Hand zu bekommen, sich jeden, aber auch jeden Irrsinn gefallen zu lassen.

Also schaltet der Flugreisende für wenige Minuten sein Schamgefühl und seine Menschenwürde ab, streicht sie quasi aus seinem normalen Dasein und geht durch eine Art Entwürdigungsdusche, die ihn für weitere Maßnahmen außerhalb von Flughäfen vorbereitet. Schon fordern »Sicherheitspolitiker« ähnliche Kontrollen auch anderswo, etwa an Bahnhöfen. Die entsprechenden Bomben haben sie, pardon: natürlich die Terroristen, schon mal in den Zügen platziert, damit auch dort solche netten Klassenzimmer des Unrechtsstaates eingerichtet werden können.

Eine kanadische Firma mit dem schönen Namen Lamperd Less Lethal (Lamperd Weniger Tödlich), die zum Beispiel auch Produkte zur Kontrolle von Häftlingen anbietet, möchte Flughafen und Flugzeug in einen fliegenden Knast umwandeln. So bemüht sie sich nun um die Entwicklung eines Sicherheitsarmbandes, das Flugpassagiere statt der Bordkarte erhalten und bis zum Verlassen des Zielflughafens am Handgelenk tragen sollen. Das Armband enthält nicht nur sämtliche Daten über den Passagier, so dass er überall im Flughafen, aber auch an Bord identifiziert und geortet werden kann. Fällt der Reisende irgendwie unangenehm auf, kann das Armband auch einen sogenannten EMD-Impuls aussenden. EMD steht für Electro-Muscular-Disruption, also elektrische Muskel-Störung. Auf einer Werbeanimation sieht man schon mal einen renitenten Passagier auf Knopfdruck in sich zusammensacken.

Und zweifellos wird es nicht allzu lange dauern, bis wir solche Armbänder überall tragen müssen – nur zu unserer Sicherheit, versteht sich. Wehret den Anfängen! Darauf gibt es deshalb schon jetzt nur eine einzige Antwort: Nicht mehr fliegen, wenn es geht

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